Als der Wecker um 11:00 Uhr äthiopischer Zeit, sprich 05:00 Uhr in unserer Zeitrechnung, klingelte, überlegte ich es mir ein paar Mal, ob ich nach einem Nachmittag voller Kaffee (entsprechend schlecht konnte ich einschlafen) und einem Abend mit dem einen oder anderen lokalen gebrannten Wasser, nicht doch einfach liegen bleibe. Nach zwei Zeigerumdrehungen bin ich schliesslich doch aufgestanden, habe meine sieben Sachen gepackt und bin in der morgendlichen Dunkelheit Addis Abebas mit dem Taxi zum Busbahnhof. Unbeschreiblich, was da ablief! Noch vor Anbruch der Dämmerung scheinte ganz Addis Abeba bereits auf den Beinen zu sein, oder vielleicht gar nie geschlafen zu haben. Denn, so früh es auch war, Leute haben auf der Strasse gewaschen, sind joggen gegangen, etc. Das was ich auf dem Weg zum Busbahnhof im schummrigen Scheinwerferlicht gesehen habe, sieht man in Europa definitiv nie. Aber auch der Busbahnhof selbst war bereits belebt als gäbe es etwas gratis. Nach zwei, drei Fragen hatte ich meinen Bus gefunden, habe ein Ticket gekauft und mich brav hingesetzt. In Äthiopien gilt grundsätzlich, Abfahrt ist um 12 Uhr, das heisst 6 Uhr. Ich habe bei meinem Sitznachbar einmal unauffällig aufs Handy gekuckt, da war bereits 12:40 Uhr (ja es ist in der Tat etwas verwirrend) und dann mal mein Ticket studiert. Eigentlich war alles auf Amharisch, sodass ich sowieso nichts verstand. Was ich aber erkannte, ist dass 20.12.2006 als Datum angegeben war. Und da kam mir in den Sinn, was einer der Jungs am vergangenen Tag zu mir sagte: am 11.9. (!) feiert Äthiopien Neujahr. Ja, hier ticken die Uhren in der Tat etwas anders…
Um 13:00 Uhr fuhr der Bus dann los. Und zwar voll, aber nicht übervoll. Man könnte ja meinen, wenn man sich einen Überlandbus in Afrika vorstellt, dann ist der bis unters Dach (und natürlich auch auf dem Dach) mit Menschen, Gepäck, Nahrungsmitteln, Tieren und allerlei weiterem Nützlichem vollgestopft. Nicht so in Äthiopien, hier ist es per Gesetz verboten, dass jemand im Bus steht. Hier sieht das ganz gesittet aus, jede und jeder hat seinen Platz, fertig.
Die Fahrt nach Süden begann im verregneten Addis Abeba wenig ansehnlich. Unfixierte und durch den Regen aufgeweichte, holprige Strassen mitten in der Stadt; Kinder, die mit zerrissenen Kleidern irgendwie nach Essen suchen im Müll; Menschen die mit Nichts auf einer Kartonscheibe sitzen und das Nass vom Himmel und scheinbar auch ihr gesamtes Leben an sich vorbei gehen lassen versuchen, sind nur einige Beispiele von dem, was die dann doch (für meine persönliche Vorstellung) sehr afrikanische Grossstadt bei mir für Impressionen hinterliess. Je länger die Fahrt dauerte, desto freundlicher wurde die Landschaft und somit die für mich ersten Eindrücke des Landes resp. der Landschaft. In Richtung der grossen Seen (die Strasse führt im berühmten ostafrikanischen Graben gegen Süden bis zur kenianischen Grenze) erschien mir die Landschaft «afrikanisch». Das mag etwas undifferenziert klingen, jedoch wenn sich das Tal öffnet, die Ebene mit Akazien und einfachen Lehmhütten mit Strohdach in der Sonne leuchtet, dann kommt bei mir das Stichwort ‹Savanne› in meiner internen Trefferliste zuoberst 😉
In Shashemene angekommen, musste ich gar nicht lange suchen und das im Reiseführer als praktisches und günstiges Hotel beschriebe Domizil war gefunden. Eine Pension, sauber, direkt vis-à-vis vom Busbahnhof, CHF 3,5 pro Nacht im Zimmer ohne eigenes Bad – einfach laut ist es, aber das muss ich hinnehmen. Afrika scheint in meinen Erfahrungen und Erinnerungen sowieso ein viel weniger stark ausgeprägtes Tag-Nacht-Gefühl zu haben, was ja auch aus den Beschreibungen aus Addis Abeba hervorgeht. Aber ich habe ja Ohrenstöpsel dabei.
Das Rastafari-Städtchen (mit doch ca. 120’000 Einwohnern) macht für mich einen «typischen» Eindruck, entsprechend wenig gibt es zu sehen. Auch das Jamaica-Bob Marley-Quartier, für das es eigentlich bekannt ist, ist kaum einen Besuch wert. Die unscheinbaren Shops und zum Teil erbärmlichen Hütten sind da einfach gelb-rot-grün angemalt und ein paar Männer haben ihre Rastalocken unter selbstgestrickten Kappen im Ganja-Dealer-Style versteckt, aber mehr ist da nicht.
So habe ich eine Premier League-Liveübertagung (Tottenham vs. Liverpool 0:3) in fröhlicher äthiopischer Gesellschaft geschaut, habe mir einen Happen Essen geholt und bin auf mein Zimmer gegangen. Apropos Essen, Injera esse ich jeden Tag, so auch diesen Mittag bereits. Die werden auch ohne Fleisch serviert. Man isst quasi die Unterlage (d.h. eben die «Omelette») und reisst sich jeweils nur mit der rechten Hand mundgerechte Happen ab. Die Stücke fungieren gleichzeitig als Besteck, sodass zum Schluss alles weg ist.
Wer sich nun fragt, wesbalb dieser Bericht um einiges länger ausfällt als viele andere, dann liegt das einerseits an der Vielzahl an Erlebnissen, andererseits muss ich mir (wieder einmal :-)) eingestehen, dass alleine Backpacken in Afrika nicht immer Spass macht. Bis jetzt habe ich noch keinen einzigen, anderen europäisch aussehenden Touristen gesehen. So arrangiere ich mich so gut es geht mit den Einheimischen und die Zeit, die nicht für die Reiseplanung draufgeht, habe ich nun bis zum Einschlafen in einen längeren Text investiert. Gute Nacht!